Gunther Hahn: „Jetzt geht es los bei uns im Baustoffhandel“

Gunther Hahn: „Jetzt geht es los bei uns im Baustoffhandel“

Die SGBDD ist Kunde von foryouandyour
customers und gemeinsam arbeitet man dort derzeit am Einsatz von Microservices als Lösungsansätze, die Herausforderungen des digitalen Wandels zu meistern.

Seit etwas mehr als zwei Jahren verantwortet Gunther Hahn als Leiter Digital und E-Business den E-Commerce-Bereich bei der Saint-Gobain Building Distribution Deutschland (SGBDD) und treibt dort das Thema Digitalisierung im 5.000 Mitarbeiter starken Unternehmen voran. Die SGBDD ist Kunde von for​you​and​your​cus​tom​ers und gemeinsam arbeitet man dort derzeit am Einsatz von Microservices als Lösungsansätze, die Herausforderungen des digitalen Wandels zu meistern.

Im Interview mit Axel Helbig spricht Gunther Hahn über die Entwicklung des Baufachhändlers, gibt Insights über den Ist-Zustand und auch die Schwierigkeiten, die der digitale Wandel für das Unternehmen mit 11 Vertriebsmarken und einem Jahresumsatz in Deutschland von ca. 2 Milliarden Euro (Stand 2016) mit sich bringt. „Wir sind im Bereich Digitalisierung noch ganz am Anfang“, erzählte Gunther Hahn offen und ehrlich gleich zu Beginn des Gespräches am (ehemaligen) foryouandyourcustomers-Standort in Düsseldorf.

„Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass SGBDD eines der Unternehmen sein wird, die sich der Konkurrenz von Amazon & Co. erfolgreich erwehren.“

Axel Helbig, Geschäftsführer von foryouandyourcustomer Düsseldorf

Axel Helbig: Gunther Hahn, Sie sagten, Sie stünden in Ihrem Unternehmen in Bezug auf die Digitalisierung noch ganz am Anfang. Wie hoch schätzen Sie den Grad bei der SGBDD im Vergleich zu Saint-Gobain als Ganzes ein? Gunther Hahn: Wenn man unsere Branche betrachtet, dann ist der Baustoffhandel grundsätzlich noch relativ konservativ. Wenn wir SGBDD aber intern mit den anderen Gesellschaften der Saint-Gobain Gruppe vergleichen, darunter auch mehrere Industriemarken, dann sind wir schon relativ weit, vielleicht sogar führend.

Axel Helbig: Gemeinsam mit der Unterstützung von foryouandyourcustomers treiben Sie den Digitalisierungsprozess innerhalb Ihres Unternehmens nun intensiv voran. Auf welchem Entwicklungsgrad würden Sie sich im Bereich Online Business im Vergleich zur Konkurrenz einstufen und auf welcher Stufe sehen Sie den Baustoffhandel im E-Commerce-Vergleich generell? Gunther Hahn: Uns ist bewusst, dass es Unternehmen gibt, wie Zalando, Amazon oder REWE, die sehr professionell und modern arbeiten. So weit sind wir im Bereich der Digitalisierung derzeit nicht. Es liegt noch ein langer Weg vor uns, das Geschäft zu einem bestmöglichen Digitalgeschäft weiterzuentwickeln: Infrastruktur und Organisation müssen angepasst, und Prozesse entsprechend vorbereitet werden. Das ist eine große Aufgabe. Wenn wir uns mit klassischen Baustoffhändlern messen, dann sind wir in diesem Vergleich gar nicht so schlecht aufgestellt. Ich würde sogar sagen, dass wir mehr als konkurrenzfähig sind. Was hingegen sehr schwer einzuschätzen ist, das sind die Neueinsteiger im Markt. Ich spreche eben von Unternehmen wie Amazon, deren Geschäftsmodell, Unternehmensziele und Marktdurchdringung wir noch wenig abschätzen können. Dazu gesellen sich noch andere internationale Unternehmen, die unter anderem aus dem enger werdenden Markt in den USA nach Europa und Deutschland streben, hier ganz gezielt auf Zielgruppen zugehen und deren Marktbekanntheit ebenso steigt, wie deren Umsatzzahlen.

„Einzelne Unternehmen stellen für uns sicherlich keine Gefahr dar, die Digitalisierung und Disruption des Marktes im Ganzen aber schon.“

Gunther Hahn, Leiter Digital und E-Business der Saint-Gobain Building Distribution Deutschland

Axel Helbig: Sie sprechen Google, Amazon, Facebook und Apple (GAFA) an. Sehen Sie die größere Gefahr von Pureplayern ausgehend oder sind es die bestehenden Konkurrenzunternehmen, die vor denselben Herausforderungen wie Sie stehen? Sind das für Sie gleiche Wettbewerbe oder sprechen wir da von völlig unterschiedlichen Anforderungen? Gunther Hahn: Es gibt noch einige Anforderungen mehr, als die von Ihnen genannten. Beispielsweise die Baumärkte, die inzwischen ebenfalls die Geschäftskunden als Zielgruppe ausgemacht haben und nicht zu vergessen, die vertikalisierende Industrie, wie beispielsweise Bosch. Auch dort wird heute direkt an den Endkunden verkauft, was früher nicht der Fall war. Die Herausforderung für uns sehe ich eher darin, dass wir im Baustoffhandelsbereich eine Branche haben, die zwar hohe Umsätze schreibt aber deren Rendite bei den Artikeln, die sich für den Onlinehandel eignen, geringer ist, als bei bekannten Größen aus der Modebranche oder dem Elektrosektor. Um es auf den Punkt zu bringen: Einzelne Unternehmen stellen für uns sicherlich keine Gefahr dar, die Digitalisierung und Disruption des Marktes im Ganzen aber schon.

Axel Helbig: Sie thematisieren eine Erweiterung der Wertschöpfungskette der Unternehmen, für die der Ausbau des Serviceangebotes immer wichtiger wird. Welche Rolle spielt dieser Gedanke in Ihrer Multichannel-Strategie? Gunther Hahn: Services gibt es rund ums Produkt und irgendwann auch rund um den Salesfunnel oder die Customer Journey. Alle sind extrem wichtig und werden in unserer Strategie auch berücksichtigt. Nach unserem Ermessen sehen wir derzeit zwei Möglichkeiten, uns zu positionieren: über einen herausragenden Service oder über Emotionen an den Kunden zu gelangen. Und wenn ich mir die Frage stelle, wie ich eine Gipskartonplatte über die emotionale Schiene verkaufen kann, wird es sehr, sehr schwer, darauf eine Antwort zu finden.

Axel Helbig: Stehen Sie bei Ihrer Unternehmensgröße vor einer Mammutaufgabe? Gunther Hahn: Im E-Commerce-Bereich sind die anstehenden Aufgaben meist Mammutaufgaben. Im Moment sind wir ein großes Unternehmen in einer großen Veränderungsphase und natürlich leiten sich da verschiedene Mammutaufgaben ab. Wir müssen uns fragen,wie das beste Szenario für SGBDD aussieht, wie die beste zu schaffende Infrastruktur und Organisationsform, um derartige Aufgaben anzugehen.

Axel Helbig: In Ihrem Vortrag auf unserem Business Breakfast zum Thema Digitalisierung sprachen Sie von einem Neuanfang bei Saint-Gobain. Worauf bezogen Sie sich dabei? Gunther Hahn: Der Neuanfang bezieht sich auf meinen Vortrag „Jetzt geht es los bei uns im Baustoffhandel“. Und dieses „jetzt geht es los“, lässt sich auch ganz genau datieren. Das war vor circa eineinhalb Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es lediglich kleinere Engagements von ebenso kleinen Start-ups. Wir dürfen nicht vergessen, dass unser Onlineshop ja schon 15 Jahre alt ist und wir ständig gemessen haben, was dort an Erfolgen und an Verkäufen passierte. Seit nun eineinhalb Jahren registrieren wir dort eine steigende Zuwachsrate. Das sind Zahlen, über die wir uns natürlich freuen, aber wir müssen auch jede Menge dafür tun, dass sie weiter steigen. Dazu zählt unter anderem, alte Strukturen zu überdenken, notfalls aufzubrechen und neue Strukturen in unserer Organisation zu verankern.

Axel Helbig: Nennen Sie uns bitte ein Beispiel? Gunther Hahn: Ich zitiere da gerne Thorsten Dirks, CEO der Telefónica Deutschland AG: „Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.“ Es geht auch um Fehlerkulturen. Wir treten ein in das Zeitalter der Digitalisierung. Wir sprechen über agil, wir sprechen über Microservices, über selbstständige Teams und über die Verantwortungsverlagerung aus der Linie in das Team und da ist es natürlich auch wichtig, Fehler zuzulassen. Doch wenn manche Themen einfach aufgebaut wurden, muss es den Verantwortlichen jetzt auch möglich sein, vorhandene Strukturen infrage zu stellen. Es sind Fehler gemacht worden. Aber dafür gibt es keine Kritik, denn schlimmer sind Fehler, die nicht gemacht wurden, denn daraus kann man nicht lernen. Wir haben aus ihnen gelernt.

Axel Helbig: Welche Aufgabe kommt dabei den von Ihnen angesprochenen Microservices zu? Gunther Hahn: Microservices sind eine von zahlreichen Lösungsmöglichkeiten. Für mich ist die Digitalisierung eine Loslösung der herkömmlichen Strategie: „Wir haben jetzt ausschließlich einen Onlineshop.“ Denn die Digitalisierung betrifft das gesamte Unternehmen, das Gesamtgeschäft und bezieht sich ebenso auf den Offlinebereich. Wir versuchen, mit unserer Strategie die Funktionalität vom Kanal zu trennen.

Axel Helbig: Welche Rolle messen Sie foryouandyourcustomers in diesem Prozess bei? Gunther Hahn: Sie beraten uns, moderieren uns in dem Change-Prozess bei der Einführung und der Durchführung eines Proof of Concept für die Einführung von Microservices als eine mögliche Zukunftsstrategie für die SGBDD.

Axel Helbig: Das Thema Microservice und auch die Infrastruktur, die jetzt entsteht, bietet neben der klassischen Logistik auch eine Informationslogistik. Welche Herausforderungen sehen Sie darin, diese Logistik nun selbst oder mit Unterstützung von foryouandyourcustomers aufzubauen? Gunther Hahn: Der erste und wichtigste Schritt ist, zunächst die Organisation „ready“ zu machen, damit sie eine solche Aufgabe überhaupt bewältigen kann. Dazu gehört auch, Antworten auf die Fragestellung zu finden, wo das Thema Digitalisierung angesiedelt ist. Gehört es zum General Management, zur IT oder ist es ein Vertriebs- oder Einkaufsthema? Das sind Fragen, die wir diskutieren müssen und der Handel zeigt uns, dass es darauf nicht die eine richtige Antwort gibt.

„Denn die Digitalisierung betrifft das gesamte Unternehmen, das Gesamtgeschäft und bezieht sich ebenso auf den Offlinebereich. Wir versuchen, mit unserer Strategie die Funktionalität vom Kanal zu trennen“

Gunther Hahn, Leiter Digital und E-Business der Saint-Gobain Building Distribution Deutschland

Es gibt Hersteller und Händler, die versuchen, das Thema Digitalvertrieb komplett auszugliedern. Es gibt andere, die sagen, wir bauen jetzt ein Team auf und bilden unser klassisches Geschäft wieder eins zu eins in dieser Abteilung ab und wiederum andere, die sagen, wir sind mit unseren Mitarbeitern inzwischen so weit, dass er ein integrierter Bestandteil unserer Wertschöpfungskette sein muss. Was das für unser Haus bedeutet? Ich habe da zwar meine persönlichen Ideen, aber wir haben noch keine festgezurrte Strategie in diesem Bereich.

Axel Helbig: Sie sehen durch den Einsatz von Microservices die Möglichkeit, schneller Marktanforderungen gerecht zu werden. Gunther Hahn: Wir sind für 11 Vertriebsmarken verantwortlich. Wir haben davon drei oder vier soweit digitalisiert, dass uns E-Commerce-Shops zur Verfügung stehen. Die anderen liegen in diesem Bereich sozusagen noch brach. Dann ist da noch die hohe Dynamik und Komplexität, die in den einzelnen Funktionalitäten entsteht. Wenn man diese als eigenständigen Service – wir nennen sie Monolithen – aufbaut, dann müssten wir im Zweifel 11 identische Monolithen nebeneinanderstellen. Das Ergebnis wäre, dass wir dann jedes Geschäft genau einmal abgebildet hätten. Wenn wir dann noch anfangen würden, über die Idee nachzudenken, für unterschiedliche Gewerke unterschiedliche Engagements aufzubauen, für unterschiedliche Kundengruppen neue Gewerke anzugehen, das würde jedes Mal den kompletten Aufbau eines eigenständigen Systems bedeuten und das wäre maximal aufwendig.

Axel Helbig: Das heißt, die Erwartungen, die Sie mit Microservices verknüpfen, verbinden Sie auch an die Erwartungen, ein Team aufzubauen, eine eigene Infrastruktur, eine eigene Methode zu etablieren, um innerhalb Ihres Unternehmens schneller zu sein und nicht alles x-fach duplizieren zu müssen? Gunther Hahn: Das ist die Idee. Wobei wir vermutlich nie alles intern leisten können werden – weil das viel zu viel ist und der Wandel rasant voranschreitet. Wir werden vermutlich weiterhin auf die Unterstützung von Agenturen angewiesen sein, die dann aber eher die Rolle eines technischen Unterstützers innehaben werden und nicht die, unser Geschäft weiterzuentwickeln.

Axel Helbig: Gibt es konkrete Ziele, die Sie sich, auch in der Zusammenarbeit mit uns, für 2017 gesteckt haben? Gunther Hahn: 2017 sehe ich für uns als ein Vorbereitungsjahr an. 2018 soll dann das Hauptprojekt mit foryouandyourcustomers gestartet werden. In 2018 möchten wir dann unserem Anspruch als Marktführer auch im digitalen Bereich gerecht werden. Mit Allem was dazu gehört: Organisation, Infrastruktur, Prozesse, Services und Ergebnissen.


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