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Eine gemeinsame Sprache im Unternehmen: Stefan Berner und Christian Bühlmann sprechen über die Informationskartografie und ihr Buch – Teil 2 von 2

2023-10-16 Christian Wymann ・ Christian Bühlmann ・ Stefan Berner
Christian Bühlmann im Gespräch über Informationskartografie

Die Berater von foryouandyourcustomers, Stefan Berner und Christian Bühlmann, haben im vergangenen Jahr ein Buch zur Informationskartografie geschrieben. Wer das Buch liest, wird nicht nur eine Einführung in die Theorie der Informationsmodellierung und Informationskartografie erhalten, sondern eine praktische Anleitung, wie die Methoden im Unternehmen nutzbringend angewendet werden. Im ersten Teil des Gesprächs gehen die Autoren auf die Informationskartografie als Methode ein. Im zweiten Teil erzählen sie, welche Wirkung das Buchschreiben auf ihr Methodenverständnis und ihre Kundenarbeit hat.

Im ersten Teil des Gesprächs haben Stefan Berner und Christian Bühlmann die Informationskartografie als Methode umrissen und gezeigt, welche Unternehmen sie unter welchen Umständen anwenden sollten. Im zweiten Teil erzählen die Autoren, welche Wirkung die Auseinandersetzung mit dem Thema auf ihr Methodenverständnis und ihre Arbeit als Kundenberater hat.

Die Arbeit am eigenen Methodenverständnis und die Fassung der Ideenquelle

Einerseits habt ihr zusammen das Buch geschrieben, um die Informationskartografie zu präsentieren und einem grösseren Publikum zugänglich zu machen. Andererseits ging es bei foryouandyourcustomers auch darum, dass es eine Art methodischer Nachfolgeregelung geben soll. Was ist damit gemeint?

Berner: Ich bin wegen meines ersten Buches zur Informationsmodellierung zu foryouandyourcustomers gekommen. Der Gründer und Präsident der Firma, Jonathan Möller, wollte das Buch ins Methodengebäude des Unternehmens einbauen. Ich konnte viele Leute schulen, Ergänzungen und Erweiterungen am Modell machen und Kunden betreuen. Ich habe jedoch die grauesten Haare unter den Mitarbeitenden und werde bald kürzertreten. Das Wissen etablieren, verbreiten und weitergeben zu können an neue Leute, intern und an Menschen auf der ganzen Welt, die davon profitieren, war meine Motivation, das Buch zu schreiben.

Bühlmann: Für mich ist das Buch ein Anlass, Wissen festzuhalten, zu komprimieren, zu verfeinern und zu schärfen. Die Zusammenarbeit zwischen Stefan und mir besteht einerseits aus der Informationsmodellierung als methodischen Kern, eher Stefans Terrain, und andererseits der Informationskartografie als Disziplin, die das Ganze umhüllt und in die Organisation einbettet, wo ich meine Stärke sehe. Wir haben beide Elemente in Kundenprojekten angewandt und diese Einzelfälle nun zum Buch verarbeitet, in dem wir das Wissen auf eine generische Ebene bringen. Das Buchprojekt ist auch ein Experiment mit der sogenannten Quellenfunktion. Stefan ist die Quelle des Informationsmodells. Ich sehe mich selbst eher als Fassung dieser Quelle. Ich glaube, ich kann die Quellenfunktion von Stefan so nicht übernehmen. Man kann sicherlich die Methode an bestimmten Ecken und Enden weiterentwickeln, aber sie ist bereits da und mit Stefans erstem Buch umfassend beschrieben. Nun haben wir mit unserem Buch die Fassung rundherum gemacht. Ich werde jedoch nie der Stefan Berner sein – das ist meine Erkenntnis. Das schafft man nicht, auch wenn wir zusammen ein Buch geschrieben haben.

Berner: In mir stecken 30 Jahre Doing mit diesem Modell. Ich habe das auch nicht aus den Fingern gesogen, sondern betreibe es seit 30 Jahren in der einen oder anderen Form und habe es in meinem ersten Buch schliesslich verdichtet. Niemand kann so schnell diese Erfahrung aufholen; sie haben andere gemacht. Bei foryouandyourcustomers ist die Quelle einer Idee die Person, die sie eingebracht hat, die sprudelt. Ich finde die Metapher gut, weil eine Quelle – Wasser, das aus dem Boden kommt – schön und gut ist, aber das Wasser versickert wieder. Wenn man eine Quelle fasst, kann man daraus etwas machen, sei es Trinkwasser, einen Fluss, Badesee oder Staudamm. Alles, was sprudelt, hat erst einen Wert, wenn man es in einer Form weiterbringen kann. Das ist ein Teil unseres Buches, nämlich die Quellenidee der gemeinsamen Sprache so zu fassen, dass man sie in einem Business-Kontext einbringen kann. Die Methode lässt sich in jeglichen Bereichen anwenden.

„Bei foryouandyourcustomers ist die Quelle einer Idee die Person, die sie eingebracht hat, die sprudelt. Wenn man eine Quelle fasst, kann man daraus etwas machen.“ Stefan Berner

Ihr arbeitet intensiv mit der Designerin Sabina Loacker am Layout des Buches, den Grafiken und der Bildsprache. Inwiefern hat sich euer Verständnis der Informationskartografie in diesem Prozess verändert?

Bühlmann: Es gab Momente, in denen wir kein Bild zu einer Aussage finden konnten. Bei der Frage, was Informationskartografie und Informationsmodellierung ist und wie sie zueinanderstehen, sind wir lange herumgeirrt und konnten nichts Passendes finden. Das hat mir gezeigt, dass, wenn wir es nicht aus dem Sprachlichen, wo die Beschreibung gelingt, ins Visuelle übertragen können, es noch nicht reif ist. Es braucht eine Transformation aus dem Texte ins Visuelle, aber das Visuelle ist viel unnachgiebiger. Im Text hat uns niemand knallhartes Feedback gegeben. Beim Visuellen haben sie draufgeschaut und gesagt, dass sie es nicht verstehen. Darum ist das Visuelle so wertvoll. Ich finde es toll, wie wir mit Sabina arbeiten. Das Design erfolgt nicht erst nachgelagert, sondern wir müssen Sabina unsere Idee transportieren und sie kann dann daraus etwas Visuelles erstellen. Wenn es uns nicht gelingt, eine Idee zu transportieren, kommt nichts dabei heraus.


Christian Bühlmann und Stefan Berner im Interview

Christian Bühlmann und Stefan Berner im Interview

Berner: Für mich hat sich die Beschäftigung mit dem Visuellen auch auf mein Verständnis meiner Theorie ausgewirkt. Ich bin eher der Kopfmensch, der eine Formel anschaut und weiss, wie man sie brauchen kann. Dadurch, dass wir unser Buch sinnvoll und lesbar bebildern, habe ich gelernt, dass wir dasselbe mit dem Informationsmodell machen müssen. Es reicht nicht, wenn man ein perfektes Modell hat. Man muss es den Leuten auch präsentieren können. Man braucht nicht nur ein Diagramm mit farbigen Kästchen, sondern muss es allenfalls in eine Bildsprache übersetzen, die näher bei der Umgebung und dem Alltag des Publikums ist. Ich habe dabei gelernt, dass Wissen über Texte und Formeln zu transformieren keine breite Nutzerschaft erreicht. Dasselbe gilt auch für die Methode: Wenn man Wissen sammelt, muss man es in einer Form aufbereiten, dass es die Leute gerne anschauen und in ihr Weltbild einbauen.

„Es reicht nicht, wenn man ein perfektes Modell hat. Man muss es den Leuten auch präsentieren können.“ Stefan Berner

Hat eure Auseinandersetzung mit der Informationskartografie bereits Auswirkungen auf eure Beratungstätigkeit bei Kunden?

Bühlmann: Definitiv. Ein Kollege hat ein schönes Wort verwendet: Die Sprechfähigkeit über ein Thema. Wenn man so viel über ein Thema spricht, dann hat man Sätze, die durchdacht sind und die man bei der Arbeit mit dem Kunden verwenden kann. Man hat von vielen Seiten das Thema betrachtet, sodass man aus der Kundenperspektive Bilder formulieren und schärfen kann. Unsere Auseinandersetzung mit der Materie hat definitiv eine Auswirkung darauf, wie wir mit den Kunden interagieren.

„Unsere Auseinandersetzung mit der Materie hat definitiv eine Auswirkung darauf, wie wir mit den Kunden interagieren.“ Christian Bühlmann

Berner: Bei mir gab es eine interessante Veränderung: Viel über das Thema zu sprechen und es einem breiteren Publikum zugänglich zu machen hat dazu geführt, dass meine Vehemenz, Theorie müsse man strikt verfolgen, abgenommen hat. Noch vor einem Jahr habe ich gesagt, man muss es genau so machen, sonst kommt es nicht gut. Inzwischen sage ich, das wäre das Ziel, wir fangen einfach mal an, in diese Richtung zu gehen. Es bringt nichts, eine strikte Regelung in die Welt zu setzen, ohne Begleitmassnahmen und die Leute mitzunehmen und dort abzuholen, wo sie heute stehen. So erreicht man nur ein kleines Publikum und die Nachhaltigkeit ist nicht gesichert. Ich habe in Workshops erlebt, dass gute Modelle entstanden, die die Leute begeisterten, aber dann die Aktivitäten eingeschlafen sind. Was im Teilnehmendenkreis entstanden ist, konnte nicht in andere Firmenbereiche wachsen. Ich musste feststellen, dass viele gut begonnen haben, begeistert und zufrieden waren und eine gute Lösung vorliegen hatten, aber sie kam in der Firma nicht nachhaltig zum Einsatz. Nicht, dass es ihnen nicht geholfen hat. Ich höre noch heute Dinge wie, dass sie die Begriffe, die sie vor fünf Jahren definiert haben, noch immer so verwenden. Die Gesamtleistung, die wir angeboten haben, hatte aber nicht den Einfluss, wie er möglich gewesen wäre. Das hat mich in diesem Jahr auch gelehrt, über das Kommunizieren und Anwenden der Methode zu sprechen. Die Leute abholen und hinführen ist wichtiger, als den Leuten die Lösung vorzugeben.

Was sind die Themen, die die Lesenden erwarten, wenn sie euer Buch in die Hände nehmen?

Berner: Wir stellen die Methode der Informationsmodellierung, wie sie im ersten Buch präsentiert wurde, in einer abgewandelten und zugänglicheren Weise vor. Wir zeigen, wie man die Methode praktisch in einem Workshop anwendet.

Bühlmann: Wir versuchen anhand des realen Workshops den Leuten nicht auf einer theoretischen Ebene zu begegnen, sondern dort, wo die Methode tatsächlich stattfindet. Danach geht es darum, wie man das Ganze in den Firmenalltag bringt, also wie man die Fähigkeit der Informationskartografie in einem Unternehmen etabliert. Zum Schluss geben wir einen Ausblick, wie sich die Methode weiterentwickeln könnte.

Berner: Und das Buch umfasst einen grossen Bereich, in dem wir die unterschiedlichen Nutzen zusammenstellen, die eine gemeinsame Sprache bzw. ein Modell für eine Firma bieten kann. Es sind in etwa 30 Punkte, was aber nicht heisst, dass jede Firma alles realisieren wird. Firmen stehen an unterschiedlichen Orten bezüglich Vorgaben und der Qualität bestehender Systeme. Die Auswahl der Nutzen reicht von besseren Entscheidungen im Management, besserer Datenqualität in einer Schnittstelle zwischen zwei Systemen bis hin zu weniger Streit in Sitzungen. Das Buch präsentiert eine Vielfalt von Nutzen, ohne dass wir versprechen können, dass sie bei jedem Kunden eintreten. Wir zeigen, wo es sich speziell für eine Firma lohnt, die Methode einzusetzen, wenn sie aktuell mit einem entsprechenden Problem kämpft.

Wenn ich das Buch lese, habe ich offenbar ein gutes Verständnis der Methode. Kann ich sie denn bereits anwenden?

Bühlmann: Ja, du erhältst Werkzeuge und gebündelte Erkenntnisse aus unserer Arbeit. Es soll ein Praxisbuch sein, inklusive der Theorie, das Unternehmen animiert, die Informationskartografie anzugehen, und sie bei der Umsetzung anleitet. Die Praxiserfahrung musst du dir entweder selbst aufbauen oder du kannst dich von uns beraten lassen.

Wann und wo erscheint das Buch?

Berner: Das Buch erscheint als Print- und elektronische Ausgabe voraussichtlich Mitte 2024. Geplant ist zudem, dass wir kurz nach der deutschen Version eine englische Ausgabe veröffentlichen.


Mehr zum Thema finden Sie auch auf LinkedIn oder auf der Webseite Informationaskartografie.


Christian im grünen Pullover, arbeitet am Laptop und lächelt in die Kamera

Christian Bühlmann

bue@foryouandyourcustomers.com

Baut die Informationskartografie in Unternehmen auf und unterstützt sie in ihrem digitalen Wandel.

Mann in Anzug lehnt auf einem Geländer, im Hintergrund die Stadt Bern

Stefan Berner

stb@foryouandyourcustomers.com

Begleitet Kunden auf ihrem Weg zum besseren Verständnis und zu besserer Nutzung ihres Wissens und ihrer Informationen.